Andere Länder, andere Sitten, andere Stadionkulturen

Einmal American Football live sehen, erfahren, was während den Werbepausen passiert, erleben, wie die Amerikaner ihren Sport ausleben. All dies wollte ich einmal an eigener Haut spüren und machte mich mit dem Flieger auf in das elf Flugstunden entfernte Los Angeles.

Erster Eindruck

Nach dem ersten kurzen Abend und einer Nacht, in der der Jetlag ballert, machte ich mich samstags erstmal auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Und relativ schnell fiel dabei auf: Football? Football scheint niemanden zu interessieren in der Stadt. Keine Fan-Shirts, keine Fan-Shops, keine Anzeichen das hier zwei Football-Teams ihre Heimspiele austragen. Nein, Football nicht, aber Dodgers uns Lakers sah man überall, an jeder Straßenecke. Jeder Laden hat zumindest einen kleinen Anteil an Shirts des Baseball bzw. Basketball Teams, doch Rams oder Chargers Merchandise suchte man vergebens.

So ging es also nach einem Tag Sightseeing in LA am nächsten Morgen auf zum Sofi-Stadium. Aufgrund der besonderen Zeitzone beginnt das "späte" Spiel hier ja auch schon um 13.05 Uhr.

Im Stau von LA konnte man sich also Gedanken machen: Was erwartet mich, was wird mir alles geboten?

LA feiert und ehrt ihre Lakers und vorallem ihren verstorbenen Superstar Kobe Bryant

Warten auf das Spiel

Zunächst wollte ich den Fan-Shop aufsuchen. Schließlich hatte ich noch vier Stunden Zeit bis zum Kickoff. Um die Ecke zu biegen und den ersten Blick aufs Sofi Stadium zu werfen, ist atemberaubend. Dieses Stadion ist einfach eine Wucht. Topmodern und wunderschön anzusehen. Nicht ansatzweise zu vergleichen mit einem deutschen Fußballstadion. Aber die Suche nach einem Fanshop ist nicht so einfach wie erwartet. Die Wahrheit ist: Es gibt ihn nicht. Nicht außerhalb, nur im Stadion. Und dieses öffnet erst zwei Stunden vor Spielbeginn. Auch musste man feststellen, dass es rund um das Stadion nicht einen einzigen Verpflegungsstand gibt, sei es Essen oder Trinken. Als an Fußball gewöhnter Mensch absolut unvorstellbar. Aber dafür wussten sich die Fans vor Ort zu helfen, denn von weiten hörte man schon die Musik und sah die Zelte vom Tailgating!

Tailgaiting

It's Tailgating Baby! Schon öfters davon gehört, doch noch nie selbst erlebt. Was soll ich sagen, ich bin Fan der ersten Stunde und schwer verliebt ♥ Überall schallt Musik aus den Boxen, Essen wohin das Auge sieht, die Leber hat es ebenfalls nicht leicht. Für 25 Dollar konnte man sich ein Bändchen kaufen, bekam dafür an den Zelten des jeweiligen Fanclubs soviel Essen und Trinken wie man wollte, bzw schaffte. (Oder man gibt sich als deutscher Ramsfan zu erkennen und säuft umsonst :D) Und wenn ihr nicht unbedingt das erste mal da seid, nutzt dies aus! Im Stadion sind die Preise absolut überteuert, wer zum Spiel leicht einen sitzen haben möchte, der sollte dies hier tun.

Tailgating ist wirklich etwas ganz Besonderes und ich würde es mir in Deutschland auch wünschen!

Und da kommen wir auch zu einem riesigen Unterschied, der in Deutschland, zumindest beim Fußball, relativ undenkbar wäre. Die Fans beider Seiten feiern gemeinsam, versorgen sich gegenseitig, stellen ihre Zelte direkt nebeneinander auf und sind friedlich. Jeder hat Spaß, es fühlt sich an wie eine Familie, Ärger sieht man kaum.

Das Stadion

2 Stunden und einige Bier später ging es dann zurück zum Sofi Stadium. Inzwischen ist Einlass, der anders als in Deutschland auch nicht riesige Schlangen verursacht, sondern einfach und unkompliziert ist. Das Ticketsystem läuft komplett digital, es dürfen wie in einer Bibliothek nur durchsichtige Taschen mitgenommen werden, die man überall vor dem Stadion bekommt, abgetastet wird hier auch nicht, man läuft wie am Flughafen durch den Scanner. Alles eine Sache von wenigen Minuten - und schon ist man drin. Und was soll ich sagen:

Man denkt, es ist von außen schon eine Wucht, aber von innen haut dich dieses Stadion komplett um. Diese absolut überdimensionale und krasse Stadionleinwand begeistert richtig. Innen hast du Versorgungsstellen soweit das Auge reicht, auf jeder Ebene mehrere Fan-Shops und man kann sich völlig frei bewegen. Ordner? Fehlanzeige!

Rams Germany meets LA Rams
Eine Stadionanzeige zum Verlieben

Stadionkultur

Als deutscher Fußballfan ist man gesangsverwöhnt, Ultras machen schon lange vor dem Spiel Stimmung und es gibt riesigen Zusammenhalt im Block. In Amerika trifft man mit diesen Erwartungen auf eine komplett andere Welt. Fangesänge? Was ist das? Der Amerikaner singt nicht, der Amerikaner pfeift nicht und der Amerikaner springt nicht. Zumindest nicht, wenn er nicht über die riesige Leinwand dazu aufgefordert wird. Generell hat man das Gefühl, den Amerikaner interessiert es eigentlich überhaupt nicht, was sein Team da unten macht. Aber wo soll ich anfangen?

- Das Stadion war bei weitem nicht ausverkauft. Eine Stadt mit 18 Millionen Menschen in der Metropolregion schafft es nicht, 70.000 Menschen zu begeistern. Zugegeben, das Match gegen die Panthers ist kein Spitzenspiel, aber ich würde für meinen Fußballverein trotzdem hingehen, egal ob gegen Bayern oder Pokal gegen 5te Liga...

- Man konnte viele beobachten, die tatsächlich einfach nur an der Bar standen und das Spiel auf dem Fernseher verfolgt haben

- Das Stadion war 10 Minuten vor Beginn noch komplett leer, füllte sich erst gegen Ende des 1. Viertels und war zur Hälfte des 4. Viertels schon wieder zu drei Vierteln leer...

- Es war ein pausenloses Kommen und Gehen, egal wie spannend es auf dem Feld war, ständig holte man sich Essen oder Trinken

Eine ganz andere Kultur als in deutschen Fußballstadien, und definitiv gewöhnungsbedürftig!

Nach dem Spiel

Wie eben schon erwähnt leerte sich aufgrund des klaren Ergebnisses gegen die Panthers das Stadion schon recht früh. Anders als in Deutschland wird ein Sieg hier nicht mit den Fans gefeiert, man merkt dass Football-Spiele ein reines Event für die Amerikaner sind.* Sie lassen sich begeistern, wenn es aus ist wird kurz geklatscht und dann geht es nach Hause. Auch beim Beobachten der Spieler auf dem Platz kommt einem ein bisschen das Gefühl auf, als wäre Sieg oder Niederlage relativ gleichgültig. Als würden sie einfach nur froh sein, den Fans eine vernünftige Show abgeliefert zu haben. Vielleicht täuscht das aber auch. Auf jedenfall könnt ihr euch auf einen schönen Stau nach dem Spiel einstellen, egal ob ihr mit Auto, Bus oder etwas anderem da seid.

*Anmerkung: Dies kann ich zumindest über die Stadt Los Angeles sagen. Ich war eine Woche später noch bei den Raiders in Vegas, dort hat Football einen anderen Stellenwert und dort wird das Team auch viel mehr abgefeiert.

Fazit

Hier treffen absolute Welten aufeinander, die man sich nicht vorstellen kann, wenn man es nicht selbst einmal erlebt hat. American Football hat seinen komplett eigenen Stil, wer nur deutsche Fankultur kennt, sollte definitiv nicht mit solchen Erwartungen ins Spiel gehen.

Tailgating vor dem Stadion ist der Hammer, es macht einen Riesenspaß und alle feiern gemeinsam als ein Erlebnis. Deine Farbe des Trikots, ob Heim/Auswärts oder gar ganz anderes Team ist dabei völlig egal. Und wenn ihr Alkohol liebt, so wie ich es tue, bedient euch dort ordentlich, weil bei 17 Dollar im Stadion (für ein Bier) sind für jeden Deutschen natürlich ein Schlag ins Kontor!

Football in den USA ist definitiv anders als Fußball in Deutschland, aber deswegen nicht unbedingt besser oder schlechter. Es macht unglaublich viel Spaß und ich würde jederzeit wieder ins Stadion gehen!

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