Vom First Overall bis zu den Playoffs

Jalen Ramsey zu den Dolphins getradet. Bobby Wagner entlassen. Leonard Floyd entlassen. Die Moves, die die Rams in der vergangenen Offseason gemacht haben, schrien förmlich nach einem Rebuild. Die Verantwortlichen rund um General Manager Les Snead und Head Coach Sean McVay wollten tunlichst nicht davon sprechen und nannten ihre Herangehensweise "Remodel the Way". Für viele einfach nur eine Ausrede. Nicht wenige Experten, Podcaster und Fans sprachen den Rams eine furchtbare Saison zu, so schlecht, dass sie ihren letztjährigen Rekord von 5-12 (welcher der schlechteste Rekord eines amtierenden Superbowlchampions war) noch unterbieten würden und so zwangsläufig mit im Rennen um den First Overall Pick im NFL Draft 2024 landen würden. Wie es im Football so oft ist, kommt es oft anders, als man denkt. Eine starke NFL Draft Class 2023 der Rams, einzelne gute und günstige Free Agent Signings und Vertrauen in das Roster und die Coaches brachte die Rams mit dem zweitjüngsten NFL-Kader 2023 in die Playoffs.

Rookies 2023

Eine Basis für die positive Saison war die Draft Class der Rams. Die Draft ist Jahr für Jahr eine große Lotterie. Nach der Saison ist man freilich immer schlauer, doch man kann mit Fug und Recht behaupten, die Rams-Scouts und General Manager haben ihre Hausaufgaben gemacht. Mit sage und schreibe 14 gedrafteten Spielern gingen die Rams aus dem Draft.

Mächtig Vertrauen in diese jungen Spieler hatten die Rams, da kein einziger der gedrafteten Rookies bei den obligatorischen Roster Cuts gecuttet wurde. Fünf der vierzehn Spielern waren von Beginn an oder wurden während der Saison Starter. Punter Ethan Evans war, man muss es so drastisch sagen, der einzige Lichtblick im sonst schlechten Special Team (später mehr zu den Special Teams). Mit Edge Byron Young und Defensive Lineman Kobie Turner haben die Rams die lang ersehnte Unterstützung für Aaron Donald geholt. Letzterer hat in seiner erste Saison in der NFL mit die meisten Sacks aller Rookies erzielt. Mit seinen Leistungen ist Kobie Turner ein Anwärter von den Defensive Rookie of the Year Award.
Den größten Steal des Drafts konnten die Rams allerdings in der fünften Runde erzielen. Wide Receiver PUKA NACUA. Entschuldigung: PUKA "RECORDBREAKER" NACUA. Mit den meisten Receptions eines Rookie und den meisten Receiving Yards eines Rookie-WR hat er gleich zwei NFL-Rekorde gebrochen. Der Rekord mit den meisten Receiving Yards bestand seit 63 Jahren und wurde 1960 von Bill Groman aufgestellt. Die Zweifel an seiner "Haltbarkeit" (wegen seiner Verletzungen während des College) ließ den sympatischen Receiver bis in die fünfte Runde des Drafts fallen. Zumindest in seiner Rookie-Saison ließ er die Zweifler unmittelbar verstummen. Wir hoffen sehr, dass das so bleiben wird. Wir freuen uns jetzt schon darauf, ihn im nächsten Jahr wieder die Pässe von Stafford fangen zu sehen.


Nick Hampton, Warren McClendon, Davis Allen, Tre Tomlinson, Ochaun Mathis, Zach Evans, Jason Taylor und Desjuan Johnson durften in ihrer ersten NFL Saison auch spielen. Auch wenn es nur ein paar Snaps bei dem ein oder anderen Spieler war, so erfüllten sie ihre Aufgaben, wenn sich gebraucht wurden. Einzig Quarterback Stetson Bennett spielte in der Regular Season aus persönlichen Gründen nicht für die Rams. Mit diesem starken Fundament lässt sich für die nächste Saison aufbauen, wir sind sehr gespannt, was die Rookies dann in ihrem zweiten Jahr zeigen werden.

Die O-Line

Maßgeblich Anteil an einer erfolgreichen Saison hatte die O-Line. Bevor die Positionsgruppe an sich hervorgehoben wird, wollen wir nicht die positiven Veränderungen im Coaching Staff unerwähnt lassen. Der neue O-Line-Coach Ryan Wendell formte eine Line, die Matthew Stafford gut beschützte und insgesamt auf Platz 11 der Pressure-Rate liegt, Nummer vier in erlaubten Sacks (2022 lagen die Rams mit 59 Sacks auf Platz 30!) und auf Platz 10 bei erlaubtem Druck. Kein Wunder, dass Headcoach Sean McVay seinen Coach als unglaublich klug, erfrischend und mit einer großen mentalen Stärke lobend beschreibt. Wendell, der selber neun Jahre als O-Liner in der NFL (Patriots und Panthers) spielte, bringt seine gesammelte Erfahrung voll mit ein. Seine ruhige Art kommt nicht nur bei seinen Spielern gut an, auch seine Assistant Coaches Nick Jones(ebenfalls ehemaliger Center in der NFL) und Zak Kromer. Eine möglicherweise einzigartige Konstellation, dass die Rams O-Line von zwei ehemaligen Centern in der NFL gecoacht wird.

Der Trade für Guard Kevin Dotson von den Steelers (Steelers bekamen dafür einen Fünftrundenpick in 2024 und einen Sechstrundenpick in 2025) sorgte grundsätzlich für viel Zustimmung und Begeisterung. Es dauerte allerdings rund einen Monat, bis Dotson endlich in der Starting RG Rolle eingesetzt wurde. Dieser Move war ein voller Erfolg und machte aus einer bis dato gut spielenden O-Line eine sehr gute Line. Jedoch war es nicht nur Dotson, der für diese sehr gute Line sorgte. Auch Rookie Steve Avila, der als LG eingesetzt wurde, wusste von Anfang an zu überzeugen. Avila war der einzige Spieler, der jeden einzelnen Snap in der Saison 2023 machte. Das zeigt deutlich, wie viel Vertrauen die Coaches in den jungen Avila hatten. Eines der jedoch wichtigsten Puzzleteile dieser O-Line war Kontinuität. Man mag sich nicht gerne an die vergangene Seuchensaison erinnern, in der 14 Spieler in ebensovielen Kombinationen in der O-Line spielten. Die O-Line von 2023 hatte sage und schreibe insgesamt sechs Spieler, die jeweils das Spiel als Starter begannen. Über die Saison hinaus setzen die Rams 10 unterschiedliche Spieler in der O-Line ein. Das mag jetzt im Vergleich zur letzten Saison auf dem ersten Blick kein großer Unterschied sein, wenn man aber bedenkt, dass die Rams in ihrem letzten Regular Season Spiel gegen die 49ers einige ihrer Spieler schonten und so Backups die Chance bekamen, ein paar Snaps zu machen, rückt es das Verhältnis wieder in ein anderes Licht. Ryan Wendell hat eine gute Unit geschaffen. Es liegt an ihm und den Rams-Verantwortlichen, diese Unit weiter auszubauen und im besten Fall auf ein noch höhres Level zu bringen. Trotz der guten Performance sind die Rams nicht naiv, gucken über den Tellerrand hinaus und sehen, dass RT Rob Havenstein nicht jünger wird oder ein Joe Noteboom nicht ganz den Hoffnungen und Erwartungen an den eines Nachfolgers von Andrew Whitworth entspricht. Ob nun über den Free Agent Markt oder über einen Pick im NFL Draft, die Rams sollten weiter in ihre O-Line investieren.

Special Team

Puh, wo fangen wir da an und wo hören wir auf. Gutes gibt es mit Ausnahme von Punter Ethan Evans nichts zu berichten. Diese Special Teams Unit war durch die Bank weg schlecht. Und zwar so schlecht, dass man sich mit dieser Leistung den sechsten Platz im Ranking der schlechtesten Special Teams sicherte.


Das Kicker-Chaos begann bereits in der Vorbereitung auf die neue Saison. Man verlor den sicheren Kicker Matt Gay, der den teuersten Vertrag eines Kickers in der Free Agency bei den Colts unterschrieb.

Der Prozess, mit dem Gays Nachfolger gefunden werden sollte, sorgte bei uns Fans für viele Fragezeichen. So wollte man mit den zwei UDFA Kickern Tanner Brown und Christopher Dunn nach dem Draft in das Training Camp gehen. So war zumindest der Plan, doch Dunn wurde bereits einen Monat nach der Verpflichtung durch die Rams wieder entlassen. So ging man mit nur einem Kicker und ohne Kickerbattle in das Trainingscamp. Wenn man den Berichten der Beat Writern so weit vertraut, war das Gezeigte von Tanner Brown grundsolide. Allerdings konnte er das in den Preseason-Spielen gegen die Broncos, Raiders und Chargers nicht zeigen. Kurz vor Beginn der Regular Season wurde Tanner Brown entlassen und man holte den Free Agent Kicker Brett Maher. Brett Maher wurde nach Woche Sieben gegen die Steelers entlassen, als er dort zwei von drei Field Goals und einen Point after Touchdown verschoss. Insgesamt machte Maher bis zu seiner Entlassung 17 von 23 Field Goals und traf 12 von 13 Extrapunktversuchen. Insgesamt bedeutete das 19 vergebene Punkte von Maher.

Die Nachfolge von Brett Maher trat Lukas Havrisik an. Diesen hatten die Rams vom Practice Squad der Browns geholt. Wer dachte, dass sich das Kicking Game der Rams dadurch verbessern sollte, lag falsch. In neun Spielen für die Rams verwandelte Havrisik 15 von 20 Field Goal Versuchen und traf 19 von 22 Extrapunktversuchen. Ergibt in der Summe 18 verschossene Punkte von Havrisik. Die Entlassung nach dem Spiel gegen die Giants war eine überfällige Entscheidung. Insgesamt hatten Maher und Havrisik bis zum letzten Regular Season Game zusammen 37(!) Punkte für die Rams verschossen. Den einen Extrapunkt im letzten Regular Season Spiel gegen die 49ers von Maher, welcher nach der Entlassung von Havrisik wieder zurückgeholt wurde, schenken wir uns. Ja, das muss man erst einmal verdauen. Den Platz im schlechten Special Team Ranking haben sich die Rams mit solch einer Leistung redlich verdient.
Hinzu kommt das die Rams mit Austin Trammell zwar einen Returner aufgestellt hatten, dieser aber keine Big Plays oder lange Returns für gute Fieldpositions der Rams erzielen konnte. Zum einen lag das am schlechten Blocking seiner Mitspieler und zum anderen an Trammell selbst, der nicht wirklich geeignet als Returner ist. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, war das Special Team daran schuld, das man ein Spiel gegen die Ravens durch einen Punt Return Touchdown aufgrund mehrerer verpasster Tackles verlor. Im Grunde fast die zuletzt beschriebene Szene das Special Team gut zusammen.

Wir hoffen sehr, dass die Rams hier in der Offseason Veränderungen herbei führen, die nicht wieder bei jedem Field Goal und Extrapunktversuch Angst und Bange werden lässt.

Rookie Punter Evan Ethans beim Kickoff gegen die 49ers

Fazit

Eine aufregende, spannende und am Ende erfolgreiche Saison 2023 der Rams geht zu Ende. Eine Saison, die so nicht zu erwarten war. Einen positiven Record hatten die wenigstens vorher gesagt, eine Playoff-Teilnahme erst recht nicht. Was nehmen wir also mit aus dieser Saison? Die Rams können auch ohne Elitespieler wie u. a. Jalen Ramsey und Bobby Wagner attraktiven und erfolgreichen Football spielen. Dank einer starken Draftclass haben die Rams in dieser Saison ein gutes Fundament geschaffen, um mit dem ersten First Round Pick seit der Auswahl von Jared Goff 2016 und genug Cap Space darauf aufzubauen.
Wir freuen uns jetzt schon auf die kommende Spielzeit und können es kaum erwarten, die Rams wieder auf dem Feld stehen zu sehen. Und nicht vergessen: "THE FUTURE IS ROYAL AND SOL"

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